Wehrt euch gegen Whatsapp!

Whatsapp ist eine Sucht und ein Zeitvernichter.
Es ist Zeit für ein neues soziales Netzwerk.

Whatsapp ist eine Seuche, ansteckender als die Wintergrippe. Whatsapp ist eine Sucht und ein Zeitvernichter. Vor allem aber: Whatsapp liefert unsere persönlichsten Geheimnisse auf undurchschaubaren Wegen an die undurchschaubare Konzernzentrale von Facebook. Der Internetgigant verwendet diese dann gegen uns, berieselt uns mit raffiniert auf uns zugeschnittener Propaganda, um damit reich zu werden.

Und, ach ja: Whatsapp ist kinderleicht zu benutzen, praktisch, gratis, gut. Unschlagbar und unverzichtbar für die Kommunikation unter Freundinnen, Arbeitskollegen, Familien.

Trotzdem und gerade darum müssen wir Whatsapp abschütteln wie ein Kettenraucher die Nikotinsucht. Das ist hart, bitter, aber nötig – wenn wir denn unsere Privatsphäre und uns selber nicht weiter in die USA verkaufen wollen. Und es geht nur gemeinsam. Nur wenn viele sich von Whatsapp lossagen, kann es gelingen. Es braucht eine Volksbefreiungsbewegung gegen den Datenkraken Whatsapp.

Wie naiv, werden viele sagen. Wie herzig, die Abschaffung von etwas zu verlangen, das im digitalen Zeitalter so selbstverständlich geworden ist wie das Wasser aus der Duschbrause. Whatsapp ist auf etwa 6,5 Millionen Schweizer Handys installiert. Drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer zwischen 14 und 69 Jahren benützen heute den Dienst. Über Whatsapp organisieren Schulklassen ihre Mathe-Arbeiten, Krankenpfleger koordinieren ihre Dienstpläne, Anwältinnen lösen mit ihren Au-Pairs Kinderbetreuungsprobleme.

Technische Alternativen stehen zur Verfügung.
Hauptsächlich aber braucht es den kollektiven Willen zur Whatsapp-Abstinenz.

In der Tat: Eine Alternative mit einem Nützlichkeitsgrad wie Whatsapp ist schwer auszumachen. Denn die Brauchbarkeit eines solchen Nachrichten-Austauschdiensts steht und fällt mit seiner Verbreitung. Und da haben Whatsapp und die Konzernmutter Facebook ganze Arbeit geleistet. Mit dem Zauberwort «Gratis!» hat sich die App wie ein Grippevirus auf weltweit 1500 Millionen Handys verbreitet. Dabei bezahlt man die App in Wahrheit teuer mit dem flüchtigen Abklicken der meterlangen Nutzungsbedingungen und der Preisgabe der Handynummern seiner Freunde und anderer persönlicher Daten. 

Dabei kann Whatsapp – abgesehen von den raffinierten Mechanismen der Persönlichkeitsverletzung – technisch kaum mehr als die gute alte SMS. Und auch nicht mehr, als was ein begabter Teenager heute in eine solche Messaging-App hineinprogrammieren kann. Darum gibt es längst genügend Alternativen – alle so intuitiv zu bedienen wie Whatsapp. Darunter befindet sich auch Threema, ein in der Schweiz entwickeltes Produkt, das Datenschutz und Verschlüsselung garantiert. Die Nutzungsbedingungen passen auf eine A4-Seite.

Die Technik also stünde zur Verfügung. Was es aber braucht, ist der kollektive Wille zur Whatsapp-Abstinenz, eine Volksbewegung, die sich dem amerikanischen Datenkraken verweigert. Eine Freiheitsfront, die durchschaut, dass gratis nicht gratis ist und die bereit ist, ein paar Franken für eine sichere App zu zahlen.

Immerhin, ein Anfang ist gemacht. Die Bundesverwaltung macht es vor: Von den Diensthandys des Bundes soll Whatsapp künftig verbannt werden, mindestens für die amtliche Kommunikation, berichten das Branchenportal Inside.it und die CH-Media-Zeitungen. Bisher hatten sich Beamtinnen und Beamten, Diplomatinnen und Diplomaten und sogar Bundesrätinnen und Bundesräte über Whatsapp ausgetauscht, meist privat, aber auch dienstlich und offiziell. So wie der Bund könnten auch Kantone, Spitäler, Firmen, Betriebe, Schulen ihren Angestellten und Angehörigen Alternativen anbieten. Dann wären wir schon einen Schritt weiter. 

Noch viel wichtiger aber ist: Der persönliche, individuelle Entscheid von möglichst vielen Whatsapp-Nutzerinnen und -Nutzern, sich auf eine Alternative einzulassen und bei allen Bekannten für Whatsapp-Abstinenz zu werben. Das ergäbe dann ein echt soziales Netzwerk.

Quelle: Tages-Anzeiger, 25.02.2019, 21:07 Uhr